Exkursion: Ennepe-Ruhr-Kreis, Witten-Gedern, Geologie im Steinbruch Rauen - 11.10.2009
Der große Steinbruch Rauen in Witten-Gedern (MTB 4510/33) bietet einen äußerst anschaulichen Einblick in den Untergrund des Steinkohlengebirges und macht die geologische Entwicklung hautnah erlebbar. Erwandert wurde das 200 m mächtige Gesteinspaket, welches neben einer Vielzahl geologischer Highlights auch Relikte des Steinkohlenbergbaus aufweist. Die urzeitliche Flora und Fauna ist in zahlreichen Fossilien überliefert.
Nun beginnt der geologische Teil:
Zur Zeit des Oberkarbons war das heutige Ruhrgebiet eine riesiger Deltabereich, welcher in etwa mit dem heutigen Orinokodelta zu vergleichen ist. Aus dem südlich gelegenen Variskischen Gebirge, welches noch heute in Form von Bergischem Land, Sauerland u.a. Bestand hat, wurden von den Flüssen große Sedimentmengen zur Küste transportiert. Die Flussfracht wurde dort in einem tektonischen Senkungsbereich abgelagert. In dieser subvariskischen Senke lagerten sich so im Laufe des Oberkarbons 4000 m mächtige Sedimentschichten ab, aus denen sich auf die Ablagerungsbedingungen rückschließen lässt. Bemerkenswert ist die zyklische und sich vielfach wiederholende Abfolge der Sedimentgesteine:
Transportierten die Flüsse mehr Sand in die Küstenebene als durch die Absenkung ausgeglichen werden konnte, so verlandete der Bereich und es wuchsen ausgedehnte urzeitliche Wälder aus großen Schachtelhalmen, Farnen und baumgroßen Bärlappgewächsen. Das abgestorbene Pflanzenmaterial fiel in den sumpfigen Boden. Durch den fehlenden Sauerstoff wurde es kaum zersetzt und vertorfte. So entstanden mächtige Moore, aus denen sich später die Steinkohlenflöze bildeten. Senkte sich die Küstenebene oder stieg der Meeresspiegel wieder an, wurden diese Sumpfwälder vom Meer überflutet und es lagerten sich feinkörnige Sedimente (Schluff und Ton) ab. Diese Sedimentationsabfolge wiederholte sich mit leichten Variationen. Unter dem Druck der überlagernden Sedimentschichten verfestigten sich die lockeren Ablagerungen zu Festgestein. Die Tonsteine wurden durch den hohen Druck und die hohen Temperaturen metamorph überprägt und zu Tonschiefer umgewandelt, der eine besonders plattige Struktur aufweist ("Dachschiefer"). So entstanden die für das Ruhrkarbon typischen Zyklen (neuerdings Sequenzen genannt) aus Sandstein, Steinkohlenflöz und Tonstein bzw. Tonschiefer.
Gegen Ende des Oberkarbons wurden auch diese Ablagerungen mit in die Gebirgsfaltung der variskischen Orogenese miteinbezogen.
Im Steinbruch Rauen lassen sich mehrere der schräggestellten Schichtfolgen erwandern. Sie gehören stratigraphisch in das Namur C des flözführenden Oberkarbons. Genauer handelt es sich um die Unteren und Oberen Sprockhöveler Schichten.
Die Gedanken schweifen ab ins Geschehen vor Jahrmillionen.
Weitaus pragmatischer: die heutigen Anwohner ...
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Eine Spinne schreitet gedankenlos durchs Karbon und sucht nach Nahrung, ...
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... ein Fliegenpilz schiebt unbeeindruckt seinen herbstlichen Hut durchs rohe Gestein,...
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... ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund (Robinie) fasst Fuß.
Oben angekommen
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Blick ins düstere Ruhrtal mit dem Ruhr-Viadukt
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Und noch eine Böschung, die mit Erde überdeckt und eingesät wurde.
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Bringt wiederum neue Arten, fast mehr als der natürlicherweise artenarme, weil bodensaure Steinbruch.
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Mit der Erde wurden außerdem ungewollt Arten eingeschleppt wie der Sachalin-Staudenknöterich (Fallopia sachalinensis) ...
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Er regt zur Diskussion an, was es eigentlich bedarf ...
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... ein reiner sachalinensis zu sein ...
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Hier spricht jedenfalls alles dafür.
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Und seine kleine Schwester, der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) steht daneben: Die Zukunft der Böschung dürfte damit vorprogrammiert sein.
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Weitere Böschungsarten: Chinaschilf (Miscanthus chinensis)
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Giftbeere (Nicandra physalodes)
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Früchte aus Amerika: die Tomate (Solanum lycopersicon) ...
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... und Zierkürbis (Cucurbita pepo convar. microcarpina)
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Mutterkraut (Tanacetum parthenium)
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Kreuzblättrige Wolfsmilch (Euphorbia lathyrus)
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Zurück zur Wand: Ein alter Seeboden mit einem fossilen Muschelpflaster. Es handelt sich um Brackwassermuscheln der Gattungen Carbonicola und Naiadites.
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Visualisierung eines fossilen Flusstales kurz vor seiner Mündung ins Meer
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Es handelt sich um den Neuflöz-Sandstein, der von einem Fluss während eines Tiefstandes des Meeresspiegels abgelagert wurde.
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Die Schüttung des Sandsteins erfolgte offenbar durch "katastrophale" Hochwässer, wie eine Lage zusammengeschwemmter Drifthölzer im unteren Teil zeigt:
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Verkohlte Drifthölzer bilden das ungewöhnliche Flöz Neuflöz
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Die Entdeckung eines Flözes.
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Weitere Beobachtungen im Steilbruch.
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Neben Säurezeigern wie dem Kleinen Sauer-Ampfer (Rumex acetosella) ...
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... und dem Wald-Ehrenpreis (Veronica officinalis) ...
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... ein überraschender Fund: Die Hirschzunge (Asplenium scolopendrium) in einer Felsspalte. Die Art kommt sonst auf basischem Gestein vor.
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Das x-te und letzte Flöz des Tages: Es wurde in der oberen Bildhälfte abgebaut. Der entstandene Hohlraum wurde anschließend von den Bergleuten (hier nachgestellt durch Steiger Mörtl) wieder fachmännisch verfüllt.